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19.12.2023 - "Es ist schwierig, aber sehen Sie es als Chance, die ihnen gegeben wird!"


Imani Farah (Name verändert) ist Mutter von drei Kindern, sie kam 2011 von Somalia nach Deutschland und konnte sich aus persönlichen Gründen nicht um ihre Kleinen kümmern. Die Kinder wurden über zwei Jahre lang im Salberghaus untergebracht, bevor sie wieder zur Mutter ziehen konnten. Hier teilt sie ihre ganz besondere Geschichte.
 

Foto: Salberghaus
Können Sie mir ein bisschen von sich selbst und Ihrer Geschichte erzählen?
Ich bin 35 Jahre alt, ich komme ursprünglich aus Somalia und bin 2011 über Äthiopien und Italien nach Deutschland gekommen. Danach habe ich schnell geheiratet. Mein erstes Kind habe ich in Deutschland in 2012 bekommen, das zweite in 2013 und das dritte in 2015. Als ich mit dem dritten Kind schwanger war, habe ich mich von meinem Mann getrennt, da wir einige Probleme hatten. Als das Kind dann geboren war, hab ich Depressionen gehabt, meine Mutter war sehr krank und ich hatte viel Stress mit meinem Mann. Ich war in einer echt schwierigen Situation. Ich konnte nicht auf die Kinder aufpassen, ich konnte nicht kochen, ich konnte nicht sauber machen, ich konnte den Haushalt nicht mehr machen. Im November 2015 hat sich das Jugendamt eingeschaltet und dann sind die Kinder ins Salberghaus gekommen.
 
Können Sie mir ein bisschen von dieser Zeit erzählen, als Ihre Kinder ins Salberghaus kamen?
Als die Kinder 2015 ins Salberghaus kamen, war das für mich erstmal ein Desaster. Das war ganz schlimm, ich war krank, konnte kein einziges Wort Deutsch und eine Frau vom Jugendamt hat meine Kinder genommen. Das war sehr schwierig, ich hab die Situation auch einfach nicht verstanden – auch das mit dem Salberghaus nicht, das war zuerst sehr schlimm. Für mich war das Jugendamt erstmal der Feind, weil sie mir die Kinder genommen haben. Nach vier oder fünf Wochen habe ich dann aber gesehen, dass die Kinder gut versorgt sind. Ich konnte aber nachts immer noch nicht schlafen und weinte viel. Dann hat das Jugendamt gesagt, ich soll einen Psychologen aufsuchen, das habe ich dann auch gemacht. Ich konnte die Kinder auch zwei, dreimal die Woche besuchen. Es war zwar schwierig, aber nachdem ich die Kinder besuchen konnte und den Psychologen aufgesucht habe ging es mir langsam besser. Sie haben alle mit mir sehr gut zusammen gearbeitet, den Kindern ist es gut gegangen, ich hatte meine Zeit mit ihnen, niemand war mit mir böse. Dann, nach ein paar Wochen, habe ich gemerkt, wie ich meine Perspektive verändert habe. Ich wollte mich verbessern, mehr Deutsch lernen, einmal die Woche zum Psychologen gehen. Die Situation hat mich richtig wach gerüttelt.
 
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Salberghaus?
Ich hab viel gelernt. Zum Beispiel hab ich von den Mitarbeiter/innen im Salberghaus gelernt, wie ich mich am besten um die Kinder kümmere, und auch Dinge mit ihnen machen kann, die nicht viel Geld kosten. Wir haben oft im Sandkasten gespielt. Die Kinder waren ja auch noch sehr klein und ich wusste oft nicht, was ich dann mit ihnen machen kann, wenn ich sie besuche. Ich habe viel Unterstützung vom Salberghaus bekommen, wir haben viele Aktivitäten zusammen gemacht. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Erzieherinnen gehabt. Am Anfang hab ich Angst gehabt, aber dann wurde ich offener. Ich hab wirklich viel gelernt.
 
Gab es positive Aspekte, die Sie zu schätzen wissen?
Was heißt es, dass das Jugendamt kommt? Es heißt, die Eltern sind in einer schlechten Situation. Das Salberghaus hat mir also über zwei Jahre lang die Möglichkeit gegeben, an mir selbst zu arbeiten, mich zu verbessern und meine Kinder waren in Sicherheit. Ich konnte sie dann mehrmals die Woche besuchen und konnte mit ihnen auch tagsüber Dinge unternehmen. Ich hatte eine gute Bindung, aber es war trotzdem schwer, wenn ich abends alleine nach Hause musste.  Die Kinder wurden auch psychologisch betreut, sie haben sehr viel im Salberghaus gelernt. Und in dieser Zeit habe ich eben an mir gearbeitet. Für mich war das primär keine Zeit, in der mir die Kinder genommen wurden, sondern Zeit, die mir geschenkt wurde, um es besser zu machen, um mich zu verbessern.
 
Wie ist die Situation heute? 
Uns geht es gut. Jetzt wohnen wir in einer großen Wohnung, das ist trotzdem eine Einrichtung und gehört zum Adelgundenheim – aber es gibt keine 24-Stunden-Betreuung. Den Kindern geht es gut, meine älteste Tochter geht ab September aufs Gymnasium. Ich hab den Mittelschulabschluss gemacht, und ich mache jetzt eine Ausbildung.
 
Irgendetwas, das Sie noch gern erwähnen möchten?
Ich möchte allen Eltern, die in meiner Situation sind, sagen: Es ist schwierig, aber sehen Sie es als Chance, die Ihnen gegeben wird. Die Kinder sind wirklich gut versorgt, es geht ihnen gut. Die Mitarbeiter im Salberghaus sind sehr gut mit den Kindern. Ich kann Eltern aus meiner Erfahrung heraus sagen, dass die Kinder ins Salberghaus kommen ist nicht das schlimmste, das schlimmste ist, wenn wir in unserer Box bleiben und keine Hilfe in Anspruch nehmen.
 

Foto: Salberghaus / Kathrein
Das Interview führte Christina Beischl von One77-Consulting